War N ein "Aphoristiker"?
Man darf
sich durch Ns Nummerierung
seiner Texte nicht darüber täuschen lassen, dass höchstens die Hälfte
seiner Schriften überhaupt als "aphoristisch" bezeichnet werden kann.
Besonders im Hinblick auf die thematisch gegliederten Werke ist es angebrachter,
von "Kurzessays" zu sprechen als von "Aphorismen". N selbst nimmt mit
resigniertem Achselzucken zur Kenntnis, dass, laut Verleger Schmeitzner
"meine Leser keine Aphorismen von mir lesen wollten" (an Köselitz, Ende
August 1881); resigniert, denn er weiß, "dass diese Literatur unter den
Begriff 'Liebig'scher Fleischextrakt' gehöre" (an Overbeck, 28. März 1884).
Er begründet seinen Stil einerseits mit krankheitsbedingter Unfähigkeit
zu anhaltender Schreibtätigkeit (die ihm zudem suspekt ist), andererseits
mit dem Willen zu epigrammatischer
Gedrängtheit.
Bedenkt man zudem, dass N, wie er im Januar 1871 an Vischer(-Bilfinger)
schreibt, in derart ungewöhnlicher Weise
die Neigung und die Fähigkeit besitzt, "etwas Einheitliches philosophisch
durchzudenken und in langen Gedankenzügen andauernd und ungestört bei
einem Problem zu verharren", dass Karl Schlechta glaubt, von "Monotonie"
sprechen zu können, so ist die Bezeichnung "Aphoristiker" - bei der man
an den Verfasser isolierter Einfälle denkt - ziemlich irreführend.
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