Wie hat sich Ns Denken entwickelt?
Die Formeln für Ns geistige Entwickung sind relativ einfach, in ihrer
Summe aber auch wieder kompliziert:
Vom **Idealisten zum **Realisten, vom Enthusiasten zum Desillusionierten,
vom **Wagnerianer zum **Wissenschaftler - und vom wissenschaftlichen Philologen
zum philosophischen Schriftsteller (**Dichter-Philosophen) - und zum Verkünder
eines "neuen
Wandels".
Nicht zu vergessen
ist dabei allerdings auch jene Entwicklung, die N-Biograph Werner **Ross
in dem Kapitel Wachsen eines Wahns (Ross 1980) beschrieben hat:
Vom Liebhaber der Redlichkeit zu einem Humoristen des **Größenwahns. In
engem Zusammenhang damit steht Ns Verhältnis zu **Dionysos und zu den
Begriffen "Genie" und "Heiliger". In den frühen Schriften nennt er Genies
und Heilige in einem Atemzug.
Ns erster Wendepunkt ist u.a. dadurch gekennzeichnet, dass der "Heilige"
in den Schriften seiner mittleren Jahre verschwindet (und auch das "Genie"
zurückgestuft wird). Der zweite Wendepunkt ist dann in Ns letzten Schriften
die Rückkehr des "Heiligen". Schon Zarathustra ist eine Art Anti-Heiliger.
Ist dann die Rede vom "heiligen
Geist des Lebens".
Weniger evident, aber nicht weniger bedeutsam, ist Ns Entwicklung als
Stilist. Schon als Student bemüht er sich ganz bewusst um die Entwicklung
seines Stils; wo er dann aber als junger Professor steht und wohin er
sich in den folgenden 15 Jahren seiner Schriftstellerei bewegt, das stellt
er 1886 im Versuch
einer Selbstkritik seines Erstlingswerks selbst dar.
Ex negativo beschreibt N da genau die stilistische Meisterschaft, die
zumeist auch von seinen Gegnern anerkannt wird: statt "bilderwütig und
bilderwirrig" zeigt N sich hier bildkräftig, statt "verzuckert" witzig.
Freilich ist er noch immer ein Autor, der es versteht, "auf neue Schleichwege
und Tanzplätze zu locken".
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