Was ist für N "Wahrheit"?
"Was sind denn zuletzt die Wahrheiten des Menschen? - Es sind die unwiderlegbaren
Irrtümer des Menschen."
(FRÖ 265)
Diese Worte gehören zur Fröhlichkeit der Fröhlichen Wissenschaft.
Irrtum ist Regel und Norm, Wahrheit sind allenfalls in den widerlegbaren
Irrtümern zu finden. Aber der Wunsch, Irrtümer zu widerlegen - der Wunsch
nach "Redlichkeit" - ist selten, denn nicht die Wahrheit ist angenehm
und erfreulich, sondern die Illusion - was selbst schon eine jener unangenehmen
und unerfreulichen Wahrheiten ist. Wahrheit ist eine mehr
Last als Lust.
Regel und Norm
ist also nicht nur der Irrtum, sondern auch die Lüge, vor allem das Sich-selbst-Belügen.
Im Kampf gegen
Verlogenheit (die Lüge mit "gutem Gewissen") zieht N als Verfechter
der Wahrheit ins Feld.
Auch der Kampf gegen
die Illusionisten, gegen die "Künstler" (gegen Wagner) ist für N ein Kampf
der Redlichkeit gegen
den Betrug.
Wo N dagegen als Skeptiker der Erkenntnis auftritt, wo er über Wahrheit
und Lüge im außermoralischen Sinne spricht, gilt ihm die begriffliche
"Wahrheit" nur als fiktives Hilfskonstrukt, als "Bretterwerk der Begriffe"
(LÜG 2, KSA 1,888f). Die Kunst wird da ein gutes, ein notwendiges, ein
kreatives
Lügen.
Ein Schritt weiter,
und die Kunst ist mehr noch als ein Hilfsmittel, sie wird zur Schutzmacht.
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