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War N Idealist oder Realist?

Auf den ersten Blick ist die Frage eindeutig zu beantworten:
N hat den "Idealismus" verdammt und als "Grundunvernunft" seines Lebens bezeichnet.
Seine **Entwicklung hat er als den Weg eines Idealisten zum Realisten beschrieben und - in einer der prachtvollsten Passagen deutscher Prosa - sein Buch Menschliches, Allzumenschliches als Wendepunkt dargestellt.
Trotzdem kann man N nicht ohne Wenn und Aber als "Realisten" bezeichnen.

Er ist z.B. ein entschiedener Gegner jenes "Realismus", wie er ihn vor allem bei angelsäschsichen Geistern zu konstatieren glaubt: eines Glaubens an die "platte Wirklichkeit". Das Gegenwort zu "platt" ist "tief", aber auch hier liegt ein Problem: N kontrastiert Tiefe nicht einfach mit Oberfläche, im Gegenteil, er rühmte die Griechen für ihre "Oberflächlichkeit aus Tiefe".

Wenn man so will, kann man N auch als Hyperrealisten sehen: Ein in die Tiefe dringender Realist darf in seinen Augen kein "Positivist" sein, sondern muss das "Negative", Tod und Vernichtung als Bestandteile der Realität erfassen und bejahen. Dies geschieht im Begriffsbild des **Dionysischen.
Der Hass auf den "Idealismus" ist es auch, der N kurz vor seinem Zusammenbruch dazu führt, mit Malwida von **Meysenbug - die er persönlich verehrt und der er viel verdankt - in schroffster Weise zu brechen.
Aber zwei Wochen später (am 5. November 1888) bekennt N: "Ohne allen Zweifel, ich habe Ihnen Unrecht getan".

In der Tat, N war in seiner gesamten Lebenspraxis ein Idealist, und es wäre wohl nicht falsch, ihn als "idealistischen Realisten" zu charakterisieren.

 
(Die mit ** gekennzeichneten Wörter verweisen auf detailliertere Informationen im jeweiligen Zusammenhang.)