Was waren die Griechen für N?
Hier muss man unterscheiden zwischen Griechentum als Gesamtphänomen und
den einzelnen Epochen und Figuren; unterscheiden muss man auch zwischen
dem Griechenbild des jungen und des älteren N. Als Gesamtphänomen ist
das Griechentum ein kulturelles
Kontrastbild zur jüdisch-christlich-demokratischen Welt.
Es ist eine "Welt
ohne Sündengefühle".
Und es ist eine Welt mit diesseitigen
Göttern.
Bei den einzelnen Epochen und Figuren sieht N die Vorsokratiker in
scharfem Kontrast zur platonisch-sokratischen Welt, in der das Christentum
präludiert und mit der die griechische Dekadenz beginnt.
Zum Gesamtphänomen:
Schon bei Winkelmann
und Goethe ist die Griechenverehrung ein stiller Protest gegen
die Zwänge der christlichen Moral. Darüber geht N weit hinaus. Als Student
und Professor der Klassischen
Philologie dringt er tief in diese Welt ein, anders
als seine Zeitgenossen.
Zu den Epochen und Figuren: Auf den ersten Blick scheint N ganz
einfach die Vorsokratiker, insbesondere Heraklit (den Philosoph von Kampf
und Werden), zu kontrastieren mit den sokratischen und nachsokratischen
Griechen, insbesondere Plato.
Wie bei N fast immer, ist das aber nicht so einfach. Zum einen ist der
von N hochgepriesene Thukydides kein Vorsokratiker, sondern ein Zeitgenosse
des Sokrates, zum anderen repräsentiert Sokrates
die Wissenschaft und ist daher für N hochgradig ambivalent.
Der junge N glaubt an eine Wiedergeburt des Dionysischen bzw. der "Tragödie"
(aus dem Geist der Musik, speziell der Musik Richard Wagners); der ältere
N betont dagegen die Ferne und Fremdheit
der Antike.
Er sieht die Griechen
auch wesentlich kritischer.
|