Wie kam es zum Bruch mit Wagner?
N ist Wagner gegenüber von Anfang an auf Gleichrangigkeit bedacht;
auch beobachtet er früh schon (1874) Wagners Neigung zur Schaupspielerei
und notiert Zweifel an der Ernsthaftigkeit von Wagners Intentionen.
Dennoch ist es frappierend, wie abrupt sich N während der ersten Bayreuther
Festspiele, zu denen er mit Richard Wagner in Bayreuth seinen Beitrag
geleistet hat, von Wagner abwendet. Noch zwei Monate zuvor hat er in seinem
Geburtstagsbrief von den "schönsten
Hoffnungen, die ich auf die Ereignisse dieses Sommers setze".
Aus diesen "schönsten Hoffnungen" wird binnen weniger Tage "die grenzenlose
Enttäuschung
dieses Sommers".
Was ist geschehen? N hat Wagner inmitten seiner Anhänger und Bewunderer
erlebt. Nicht nur spielt er in dieser Schar von "hochgestellten Herrschaften"
keine besondere Rolle, er fühlt sich darin auch ganz und gar nicht wohl,
in einem "falschen Milieu". N flüchtet in den Bayerischen Wald und beginnt
mit den Aufzeichnungen zu Menschliches, Allzumenschliches, dem
Buch, das er ein Jahr später beendet und das mit einem provozierend antiwagnerischen
Satz beginnt.
Aus Ns Sicht macht Wagner, der als Revolutionär angetreten war, in opportunistischer
Weise seinen Frieden mit dem wilhelminischen Deutschland und verrät speziell
mit seinem Antisemitismus und seinem "Katholisieren" die ursprünglich
gemeinsamen Ideale.
In Der Fall Wagner (1888) verwendet N sein ganzes Können darauf,
Wagner als dekadenten Scharlatan bzw. als "Cagliostro
der Modernität" zu demaskieren.
Während es N jedoch
in anderen Dingen gelungen ist, seine **Unzeitgemäßheit zu überwinden,
verharrt er Wagner gegenüber in der Opposition, d.h. in der Bindung. Wagner
hat in seinen Augen das gemeinsame
Ziel verraten, dagegen will er es - als Wagners Erbe - aufrecht erhalten.
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